GRAHAM SANSOM
In Australien gibt es etwa 700 lokale Gebietskörperschaften. Sie weisen jedoch große Unterschiede auf: So haben einige weniger als hundert Einwohner, andere annähernd eine Million; einige umfassen nur gerade wenige Quadratkilometer, andere sind so groß wie ein kleines Land. Im internationalen Vergleich ist die durchschnittliche Einwohnerzahl mit 30.000 ziemlich hoch, in wirtschaftlicher Hinsicht ist die Bedeutung der lokalen Gebietskörperschaften jedoch ziemlich gering. Ihre Aufgaben beschränken sich im Allgemeinen auf die Bereitstellung kommunaler Dienstleistungen und lokaler Infrastruktur. Die lokalen Gebietskörperschaften erheben weniger als 3 Prozent der gesamten Steuern, ihre jährlichen Ausgaben in der Höhe von etwa 20 Milliarden australische Dollar machen nur 2,5 Prozent des Bruttoinlandsproduktes aus. Ihre Stellung in der Föderation ist undefiniert und unsicher: Lokale Gebietskörperschaften sind in der australischen Verfassung nicht anerkannt, sie begründen sich ausschließlich in der Rechtsordnung der Einzelstaaten. Demokratisch gewählte Gemeinderäte können von den Regierungen der Einzelstaaten aufgelöst, Grenzen ohne Volksbefragung geändert und alle Aspekte lokaler Verwaltung staatlicher Kontrolle unterworfen werden.
Australien
Besonders augenscheinlich sind die Beschränkungen der lokalen Gebietskörperschaften in den Metropolregionen, die hauptsächlich von staatlichen Behörden verwaltet werden. Die größeren Städte sind in zahlreiche Verwaltungsbezirke unterteilt, deren Räten es schwerfällt, eine strategische Rolle in der Stadtplanung und -entwicklung zu spielen. Bis zu einem gewissen Grad eine Ausnahme ist Brisbane, da ihr Stadtrat für ungefähr die Hälfte des Stadtgebietes zuständig ist und einen Großteil der städtischen Infrastruktur und des öffentlichen Transports bereitstellt. Aber auch hier ist infolge des Drucks, den das weit über die Stadtgrenzen hinausreichende Wachstum der Stadt verursacht, und aufgrund wachsender Besorgnis bezüglich der Wasserversorgung eine zunehmende Beeinflussung durch den Staat festzustellen.
Man könnte daraus schließen, dass es sich um schwache lokale Gebietskörperschaften handelt. In gewisser Beziehung ist das sicherlich auch der Fall. Kleinere ländliche und abgelegene Gemeinderäte haben äußerst beschränkte Möglichkeiten, Dienstleistungen bereitzustellen, und sind stark von den Unterstützungen des Bundes und der Bundesstaaten abhängig. Aber gesamthaft gesehen sind die lokalen Gebietskörperschaften zu über 80 Prozent finanziell selbsttragend, und in verschiedenen Bereichen der öffentlichen Verwaltung – Straßenverkehr, Erholung, Abfallbeseitigung sowie (in einigen Staaten) Wasserversorgung und Kanalisation – spielen sie eine führende Rolle. Im Allgemeinen entsprechen die Einnahmen der lokalen Gebietskörperschaften ziemlich genau ihren Aufgaben. Größere Gemeinderäte können recht unabhängig agieren und das Wohlergehen ihrer Gemeinden in vielerlei Hinsicht fördern.
Die Bundesstaaten dagegen sind alle stark von Transferleistungen des Bundes abhängig. Aufgrund der Auslegungen der Verfassung durch den Obersten Gerichtshof und infolge des Verlusts von Steuerbefugnissen an die Bundesregierung – die infolge ihrer Finanzkraft nun alle Schlüsselbereiche der öffentlichen Ordnung dominiert – hat die Autonomie der Staaten während der letzten fünfzig Jahre stetig abgenommen
Diese Machtverschiebung hat sich nachhaltig auf die lokalen Gebietskörperschaften ausgewirkt. Die bei weitem größte Quelle für Finanzhilfen für die Gemeinderäte ist nun die Bundesregierung. Sie leistet jährlich über 3 Milliarden an allgemeinen und zweckgebundenen Zuschüssen. Die Unterstützung durch den Bund war eine der Schlüsselkräfte bei der in den letzten 50 Jahren erfolgten wesentlichen Erweiterung der Rolle der lokalen Gebietskörperschaften. Zudem hat sie es den Bundesstaaten auch ermöglicht, einzelne ihrer Zuständigkeiten und die damit verbundenen Kosten an die lokalen Behörden abzugeben ("Kostenüberwälzung").
Neben der Bereitstellung finanzieller Hilfe hat die Bundesregierung direkte Arbeitsbeziehungen mit den Räten aufgenommen – sowohl mit einzelnen Räten als auch mit regionalen Gruppierungen – und die
Graham Sansom
Repräsentanz der Kommunalverwaltungen an vielen zwischenstaatlichen Foren gefördert. All dies ist "außerhalb" der Verfassung geschehen, die sich zu zwischenstaatlichen Beziehungen weitgehend ausschweigt und die leicht dahingehend ausgelegt werden könnte, dass sie direkte Zuschüsse des Bundes an die Kommunalverwaltungen untersagt, sollten diese von den Bundesstaaten jemals in Frage gestellt werden.
Die lokalen Gebietskörperschaften sind nun in sozusagen allen föderalen Foren vertreten, an denen sie ein spezifisches Interesse haben. Dazu zählen etwa 14 aus Bundes- und Staatsministern bestehende Räte sowie auch der Council of Australian Governments, dem der Premierminister, die Premiers der Bundesstaaten, die Ministerpräsidenten der Territorien und der Präsident der Australian Local Government Association (ALGA) angehören.
Seit den frühen 1980er Jahren führt einer der Bundesminister den Zusatz "Local government" in seinem Titel. Die Bundesregierung und die ALGA haben 1995 ein Abkommen zwischen dem Commonwealth und den lokalen Gebietskörperschaften ("Commonwealth-Local Government Accord") ausgehandelt, in dem der gemeinsamen politischen Agenda Ausdruck gegeben wurde. Diesem Abkommen war jedoch kein langes Leben beschieden, da die 1996 gewählte konservative Koalition anfänglich
eine traditionellere, den Rechten der Staaten
verpflichtete Agenda bevorzugte. In den vergangenen Jahren hat die gleiche Regierung allerdings mehrere Maßnahmen ergriffen, um die Beziehungen zwischen Bund und Gemeinden zu stärken. Diese sind jetzt wahrscheinlich enger als je zuvor. Sie beinhalten zur Verbesserung des lokalen Straßennetzes direkt an die Räte bezahlte Zuschüsse, Überprüfungen der finanziellen Lage lokaler Gebietskörperschaften durch den Bund, Verhandlungen zu einem zwischenstaatlichen, dreiseitigen Kostenüber wälzungsabkommen und einen Parlamentsbeschluss, die lokalen Gebietskörperschaften als Teil des föderalen Systems anzuerkennen.
Diese Maßnahmen geben zweifellos die Situation einer konservativen Bundesregierung wieder, die sich in allen Staaten und Territorien Labor-Regierungen gegenübersieht und es deshalb als zweckdienlich betrachtet, sich durch
die Zusammenarbeit mit den Räten auf lokaler und regionaler Ebene zu engagieren. Es gibt jedoch auch Anzeichen von Rahmenveränderungen in der australischen Föderation.
Den australischen lokalen Gebietskörperschaften stellt sich nun die Frage, wie sie aus den neusten Fortschritten Nutzen ziehen und ihre
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Präsenz in der Föderation festigen können. Können sie ihren Anspruch, die "die dritte Sphäre" in der Föderation zu sein, rechtfertigen? Sie sehen sich in dieser Hinsicht verschiedenen Herausforderungen gegenüber. Erstens die langfristige Tragbarkeit ihrer Finanzlage: Neueste Untersuchungen haben gezeigt, dass 25 bis 40 Prozent der Räte – vorwiegend kleinere ländliche und regionale Räte – mittelfristig unter Umständen nicht aufrecht zu erhalten sind. Ihr offensichtliches Unvermögen untergräbt die Glaubwürdigkeit der lokalen Gebietskörperschaften genauso wie die Mentalität des Almosenempfängers oder "armen Cousins", die in einigen größeren Räten festzustellen ist.
Zweitens müssen die lokalen Gebietskörperschaften ihre Position innerhalb des Regierungs- und Verwaltungssystems festigen. Dies bedeutet unter anderem, dass sie durch eine Vertiefung der demokratischen Strukturen ihren Rückhalt in der eigenen Gemeinde verstärken und mittels effizienter strategischer Planung, koordinierter Dienstleistungen und der Zusammenarbeit zwischen den Räten die lokale und regionale Regierungstätigkeit verbessern müssen.
Drittens müssen die lokalen Gebietskörperschaften den richtigen Mittelweg finden in ihren Beziehungen mit der Bundesregierung und den Einzelstaaten. Sie sind auf enge Beziehungen mit der zunehmend mächtigeren Bundesregierung angewiesen, unterliegen aber rechtlich weiterhin den Staaten und können es sich nicht leisten, mit diesen um Bundesunterstützungen zu konkurrieren. Australien operiert die meiste Zeit immer noch als eine zweigliedrige Föderation, und die lokalen Gebietskörperschaften müssen sich auch darum bemühen, produktive Beziehungen mit den Staaten aufrechtzuerhalten und diese von ihrem Wert als Partner zu überzeugen.
Ein heiß er wünschtes Ziel für viele in den lokalen Gebietskörperschaften ist die Anerkennung in der Bundesverfassung. Es ist jedoch zu bezweifeln, ob Verfassungsänderungen die bestehenden Verhältnisse wirklich ändern würden. Um ihren Status zu verbessern, müssen die lokalen Gebietskörperschaften ihre Schwächen angehen und beweisen, dass sie fähig sind eine umfassendere Rolle zu spielen.